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Jugendstil

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Der Jugendstil oder Art nouveau[1] ist eine kunstgeschichtliche Epoche an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Dem Jugendstil zuzuordnende Strömungen sind der Reformstil (nach der Reformbewegung), der Secessionsstil (nach der Wiener Secession), Modernisme (bezogen auf Katalonien), in Russland Modern, tschechisch Secese, slowakisch Secesia, polnisch Secesja, ungarisch Szecesszió. Neben dem im Französischen, Englischen und Italienischen dominierenden Ausdruck Art nouveau wird im Englischen auch Modern Style und im Italienischen Stile Floreale oder Liberty verwendet. Zeitlich gehört der Jugendstil zum Fin de siècle.


Inhaltsverzeichnis

Herkunft des Ausdrucks

Der Ausdruck Jugendstil geht zurück auf die von Georg Hirth Ende 1895 in München gegründete illustrierte Kulturzeitschrift Jugend und ist zu verstehen als eine Gegenbewegung junger Künstler und Kunsthandwerker zum rückwärtsgewandten Historismus, aber auch zur als seelenlos verstandenen Industrialisierung. Der Blick richtet sich auf neue Materialien, wie Beton oder Eisen, und neue Baumethoden. Er ist nur im deutschsprachigen Raum, den Niederlanden, Ungarn, den nordischen Ländern und in Lettland in Gebrauch.

Von Jugendstil war erstmals im Jahr 1897 bei der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung Leipzig 1897 die Rede.[2] Hierfür gestaltete Paul Möbius den außergewöhnlichen Ausstellungspavillon Nietzschmann-Wommer; der Pavillon wurde beschrieben als vom Hergebrachten stark abweichend mit gewagt humoristisch-phantastischen Motiven, die einen gewissen Schwung entwickeln.[3]

Anfangs waren die Ausdrücke Jugendstil und Secessionsstil in den einschlägigen Zeitschriften (Dekorative Kunst, Autoren: Hermann Muthesius, Julius Meier-Graefe) ein kritisches Etikett für die modische Popularisierung der neuen Formen durch die Industrie, die mit ihrer „billigen“ kunstgewerblichen Massenproduktion einzelne Werke von Künstlern wie Henry van de Velde nachahmte.

Kennzeichen und Programmatik

Äußerlich kennzeichnende Teile oder Elemente des Jugendstils sind dekorativ geschwungene Linien sowie flächenhafte florale Ornamente und die Aufgabe von Symmetrien.

Bei solchen formalen Klassifizierungen darf allerdings nicht übersehen werden, dass der Jugendstil keineswegs eine geschlossene Bewegung war. Es handelt sich um eine Reihe von teilweise divergierenden Strömungen in Europa, die sich allenfalls in der Abkehr vom Historismus wirklich einig waren, also die bisher gängige Nachahmung historisch überlieferter Formvorbilder ablehnten.

Mit dem Jugendstil verbinden sich zahlreiche künstlerische Programme und Manifeste. Er steht im heutigen Verständnis unter anderem auch für große gesamtkünstlerische Gestaltungen, wie etwa die des Palais Stoclet in Brüssel, in dem alles vom äußeren Bauwerk bis zur dekorativen Innenausstattung einheitlich durchgestaltet wurde. Damit wurde auch die Forderung nach der großen Verschmelzung von „Kunst und Leben“ verknüpft, der Wiedereinbeziehung der Kunst in das Alltägliche im Sinne einer umfassenden künstlerischen Neugestaltung aller alltäglichen Dinge, wobei den dekorativen Künsten ein besonderes Gewicht zukam. In diesem Punkt knüpfte der Jugendstil allerdings an den Historismus an, der bereits das „Gesamtkunstwerk“ zum Programm erhoben hatte. Es war ein programmatischer Gegenentwurf zur Abgehobenheit auratischer Kunstwerke in der Sphäre der sogenannten „hohen“ oder „bildenden Kunst“.

Zur Programmatik des Jugendstils gehörte aber auch die Forderung nach Funktionalität, dass also zum Beispiel die Funktionen eines Gebäudes dessen Gestaltung sichtbar bestimmen sollten. Die Fassaden mussten nicht länger symmetrisch und von axialen Aufteilungen bestimmt sein, sondern durften einer aus dem Grundriss entwickelten Raumvorstellung folgen.

Insgesamt gehören die Abkehr von den historischen Bauformen und die intensive Suche nach neuen dekorativen Gestaltungsmöglichkeiten in Architektur und Kunstgewerbe zum erklärten Programm vieler Künstler des Jugendstils. Eines der zentralen Anliegen des Jugendstils war der sogenannte „moderne“ Stil, ein „Stil unserer eigenen Zeit“.

Historische Entwicklung und Verbreitung

Im deutschen Sprachraum liegen die Ursprünge des Jugendstils vor allem in drei Städten: in Wien als architektonische Reaktion auf den Historismus der Ringstraßenepoche, in München vor allem im Bereich von Innenarchitektur und Kunstgewerbe sowie in Darmstadt durch die von Großbritannien angeregte Darmstädter Künstlerkolonie.

Entstehung

Geschichtlich steht der Jugendstil zwischen Historismus und moderner Kunst. Diese Stilrichtung dauerte ca. 20 Jahre. Sie kann als eine Antwort auf verschiedene Entwicklungen des 19. Jahrhunderts verstanden werden:

Verbreitung in Deutschland

Ursprünge

Der Jugendstil ist in Deutschland aus lokalen Bewegungen und Künstleravantgarden entstanden, die erst im Laufe der Jahre und über die vielen neu gegründeten Kunstzeitschriften zu einem überregionalen Ideenaustausch gelangten.

Namensgeber der Bewegung, die in Deutschland zuvor als Art nouveau oder als Yachting Style bezeichnet wurde, war die künstlerische Wochenzeitschrift Jugend, die erstmals im Mai 1896 in München erschien. Als weitere einflussreiche Zeitschriften sind der Münchner Simplicissimus und die Berliner Zeitschrift Pan zu nennen.

Einer der rührigsten Mitarbeiter bei Jugend und Pan war der Maler und Gestalter Otto Eckmann. Ebenso wie seine Vorgänger in Großbritannien befasste er sich intensiv mit der japanischen Kunst. Ihn interessierte besonders die flächige Darstellung von Naturmotiven. Sein Lieblingstier, der Schwan, wurde zu einem der Leitmotive des Jugendstils.

München

Weitere Künstler, die dazu beitrugen, dass München zu einem der Zentren des Jugendstils wurde, sind:

Darmstadt

Gleichrangig neben München entwickelte sich Darmstadt zum Zentrum des Jugendstils in Deutschland. Motor dieser Entwicklung war Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein. Bei Besuchen in Großbritannien hatte sich der weltoffene Großherzog, ein Enkel der Königin Viktoria, mit der Arts-and-Crafts-Bewegung vertraut gemacht. 1899 berief er sieben junge Künstler nach Darmstadt in die Künstlerkolonie.

Der Großherzog ließ auf der Mathildenhöhe durch den Architekten Joseph Maria Olbrich ein Atelierhaus als Mittelpunkt der Künstlerkolonie errichten. Weithin sichtbares Wahrzeichen wurde der 1908 durch Olbrich errichtete monumentale Hochzeitsturm. Außerdem hatten die Künstler die Möglichkeit, sich eigene Wohnhäuser zu bauen. Die Mathildenhöhe und die angrenzende Rosenhöhe gilt als das kunsthistorisch bedeutendste und wertvollste erhaltene Jugendstilensemble in Deutschland.

Durch die Meisterkurse verbreitete sich der Jugendstil von Darmstadt aus, Darmstadt war auch das geistige Zentrum der theoretischen Diskussion über den neuen Stil. Neben Olbrich waren Peter Behrens, Hans Christiansen, Ludwig Habich und Patriz Huber weitere bedeutende Künstler unter den Darmstädter Sieben.

Karlsruhe

Karlsruhe war – stark beeinflusst von Darmstadt, aber parallel dazu – ein weiteres Zentrum des Jugendstils in Südwestdeutschland. Hier machten bereits vor 1900 die Architekten Hermann Billing und Karl Coelestin Moser durch avantgardistische Entwürfe von sich reden. Anders als in Darmstadt zeigt sich der Jugendstil in Karlsruhe uneinheitlich, Billing vertrat einen expressiven, farbbetonten und floral ornamentierten Stil, der auch Elemente anderer Baustile, etwa der Neugotik freizügig vereinnahmte. Moser stand dagegen eher für eine abgeklärte, geometrische Variante an der Schwelle zum Reformstil.

Bemerkenswert ist die Hof-Apotheke, die die spitzwinklige Ecksituation an der Kaiserstraße/Waldstraße expressiv übersteigert. Weitere wichtige Zeugnisse des Jugendstils in Karlsruhe sind die Villenkolonie Baischstraße um den Kaiserplatz (Hermann Billing), die Bebauung der Wendtstraße in der Weststadt und um die Lutherkirche in der Oststadt (Curjel & Moser). Eine eigentümliche Mischung zwischen Neoklassizismus und Jugendstil weist das nach Plänen von August Stürzenacker 1913 entstandene Empfangsgebäude des Karlsruher Hauptbahnhofs auf.

Um 1900 war Karlsruhe mit der Grötzinger Malerkolonie auch ein Zentrum der deutschen Landschaftsmalerei mit Gustav Kampmann als stark stilisierendem, abstrahierendem Linien- und Flächenkünstler. Schließlich brachten die Kunstgewerbeschule (Max Laeuger), die Majolikamanufaktur (Alfred Kusche, Baukeramik) und das Atelier von Emmy Schoch (Reformkleider) bedeutende Beispiele für das Kunstgewerbe des Jugendstils hervor. Heute verfügt das Badische Landesmuseum über eine der besten Jugendstil-Sammlungen Deutschlands. Auch das Schmuckmuseum Pforzheim stellt viele Werke aus der Zeit des Jugendstils aus. Der „Künstlerfabrikant“ Theodor Fahrner war einer der Wegbereiter des Modeschmucks, der von Künstlern wie Max J. Gradl entworfen und von Fahrner in Pforzheim hergestellt wurde.

Jugendstil in Pforzheim

Beispiele in Pforzheim (vgl. Architekturführer Goldstadt Jugendstil und Art Déco) waren:

Ende des Jugendstils

Ein klares Ende des Jugendstils lässt sich nicht bestimmen, es wird im Allgemeinen aber noch vor Beginn des Ersten Weltkrieges angesetzt.[10]

Das Einsetzen des allmählichen Endes des Jugendstils in Deutschland kann man auf die III. Deutsche Kunstgewerbeausstellung 1906 in Dresden datieren. In deren unmittelbarer Folge wurde 1907 der Deutsche Werkbund gegründet. Er erhob Sachlichkeit, Schlichtheit und Gediegenheit zu neuen Leitbildern. Den Vorsitz führte Hermann Muthesius; bekannte Künstler des Jugendstils wie van de Velde, Behrens, Niemeyer, Endell und Obrist waren bei der Gründung beteiligt oder stießen später dazu.

Für die Zeit zwischen 1906 und 1914 wird in der kunstgeschichtlichen Literatur u. a. die Stilbezeichnung „Reformarchitektur“ bzw. „Reformstil“ verwendet (im Kontext der allgemeinen Lebensreform). Mitunter wird diese Periode auch als „Halbzeit der Moderne“ (nach der gleichnamigen Ausstellung 1991 in Münster) oder „Prämoderne“ bezeichnet (nicht zu verwechseln mit dem geschichtswissenschaftlichen Begriff Vormoderne).

Um 1905 liegen in Deutschland mit der Gründung der Künstlervereinigung Brücke die Anfänge des Expressionismus, der in vereinfachender geschichtlicher Darstellung als Ablösung des Jugendstils präsentiert wird. Bereits um 1900 deutete jedoch eine intensivere Farbgebung im Jugendstil bereits eine Vorform des Expressionismus an. Der Jugendstil hält sich etwa bei Interieurmalerei, Möbeln, anderen Gebrauchsgegenständen und kunstgewerblichen Produkten noch bis in die mittleren 1920er Jahre, indem er die Formensprache beibehält, aber in der Farbgebung auf den Expressionismus der Malerei reagiert.

Literatur

nach Autoren alphabetisch geordnet

Weblinks

 Commons: Art Nouveau – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Commons: Jugendstilarchitektur – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Im Deutschen ist „der, die, das Art nouveau“ gleichermaßen gebräuchlich; vgl. Art nouveau bei Duden online.
  2. Georg Hirth: Wege zur Freiheit, Verlag der Münchner Jugend, 1903, 546 Seiten, hier S. 525
  3. Michael Georg Conrad (1885–1900), Arthur Seidl (1901–1902): Die Gesellschaft, Band 16, Teil 2, Verlag E. Pierson, 1970, S. 246
  4. http://www.stille-zeitzeugen.de/info/info_architekten.php?nr=134&vorname=Hermann&nachname=Walder&sort=1
  5. „Deutsche Bauzeitung“ von 1904 (Jahrgang 38) No. 85
  6. Die Architektur des XX. Jahrhunderts - Zeitschrift für moderne Baukunst, Jahrgang 5, Tafel 54.
  7. House and Office of the Brothers Beckh Brewery in Pforzheim, Baden, Germany. Prof. H. Billing, Architect. In: The American Architect and Building News, 2. Oktober 1904, No. 1507
  8. München, Architekturmuseum der TU München, Inventar-Nr. bill-80-1, 932734, alte Inventar-Nr. 80.1
  9. House and Office of the Brothers Beckh Brewery in Pforzheim, Baden, Germany. Prof. H. Billing, Architect. In: The American Architect and Building News, 2. Oktober 1904, No. 1507
  10. Nach Lieb und Kadatz umfasst der Jugendstil die Zeit von 1890 bis 1910 (Siehe Stefanie Lieb: Was ist Jugendstil, Darmstadt 2000, Seite 14, sowie Hans-Joachim Kadatz: Seemanns Lexikon der Weltarchitektur, Leipzig 200, S. 129), der Kunst-Brockhaus dagegen gibt das Ende des Jugendstils mit dem Jahr 1914 an (Kunst-Brockhaus in 10 Bänden, Mannheim 1987, S. 77).


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